Von Main bis Tennessee, Indian Summer bis Winter und wonach der Indian Summer wirklich benannt ist.
Zum ersten mal betrete ich die USA, (Simon hatte schon Stopovers aber so richtig zählt das ja nicht) über die Grenze geht es in Maine. Noch in der Schweiz, haben wir uns mit reichlich Aufwand das 6 Monats Touristenvisum beschafft und hoffen auf einen schmerzlosen Grenzübergang. Die Beamten sind extrem freundlich und sogar zu Scherzen aufgelegt, trotzdem müssen wir ca. 1 Stunde lang Fragen beantworten, die wir alle schon beim Visumsantrag beantwortet haben. Naja fast alle, wir haben doch noch keine Ahnung, wo wir die USA wieder verlassen.
Einmal drin, ändern sich erstmal alle Masseinheiten. KM und Meter werden zu Meilen und Fuss, Liter zu Gallonen, Celsius zu Fahrenheit, nur das Pfund bleibt gleich zu Kanada. Ausser den Dieselpreisen ändert sich aber in der Realität nicht viel, gerast wird immer noch und die Temperaturen sind die gleichen wie in Quebec.
Nach etlichen Meilen Wald finden wir im dunkeln einen offiziellen gratis Campingplatz am Moosehead Lake. Leider ist es am Morgen grau, nass und kalt. Nachdem wir uns etwas am Feuer von unseren neuen Bekanntschaften gewärmt und geräuchert haben, fahren wir ein bisschen durch die angrenzenden Hügel. Bei einer Flugzeugabsturzstelle, zeigt sich der Nationalstolz und der Stellenwert, der US-Armee. Überall stecken kleine Flaggen. Das fällt uns später auch auf vielen Friedhöfen auf. Selbst an Strassenlaternen hängen in manchen Städten Flaggen mit Namen und Fotos von gestorbenen Soldaten. In vielen Dörfen gibt es ein Veteranenzentrum und oft finden wir die Kombination von einer Kanone und einem Bingo Schild dahinter, was uns irgendwie makaber erscheint.
Für die zweite Nacht gestaltet sich die Schlafplatzsuche schon schwieriger, überall stehen „betreten verboten“ Schilder und alles scheint in privat Besitz. Es wird schon dunkel und wir halten bei einem einsamen Haus und fragen Matt um Rat. Der Jäger lässt uns nach kurzem überlegen bei sich im Garten schlafen mit den Worten:“ Beim Jäger zuhause ist es am sichersten“. So lernen wir auch grade einen wohl typischen Lebensstiel in den USA kennen: Mein Leben ist so toll, ich möchte kein anderes führen und nirgendwo anders leben, aber ertragen kann ich es nur mit der täglichen Dosis Grass und Bier.
Da wir schnell in den Süden wollen und die nächsten Staaten alle nur kurz besuchen, hier eine kleine Aufstellung:
New Hampshire:
Im White Mountain National Forest ist die Hölle los, der Indian Summer ist noch nicht auf dem Peak, trotzdem tummeln sich hier vor allem indische Touristen. Kommt daher der Name Indian Summer? Laut Wikipedia gibt es verschiedene Theorien dazu z.B.: Dass die Indianer zu dieser Warmwetter Periode im Herbst ideale Jagt Bedingungen hatten. Darüber, dass zu dieser Jahreszeit besonders viele Inder in diese Gegend fahren finde ich nichts… Wir finden schliesslich doch ein ruhiges Plätzchen und können eine schöne Herbstwanderung machen.
Vermont:
Eine der schönsten Wanderungen dieser Reise machen wir im Green Mountain Nat. Forest. Hier treffen wir den weltbekannten Appalachen Trail wieder und folgen ihm ein kleines Stück. Der Wald ist wunderschön bunt und nach jeder Wegbiegung ändern sich Pflanzen und Tierwelt. Ein paar Vögel haben den Abflug verpasst oder überwintern hier und die Hörnchen stocken ihren Wintervorrat auf. Alle folgenden Bilder sind von einer einzigen Wanderung:
New York:
Die Grossstadt umfahren wir weiträumig und suchen lieber ein paar Gänse bei den Finger Lakes. Die Landschaft erinnert uns stark an zuhause, mit viel Landwirtschaft und all den Weisswedelhirschen auf den Feldern. Im Watkins Glen State Park merken wir wieder, wie schlimm Menschenmengen für uns sind. Diese eigentlich schöne, mit all ihren Wasserfällen etwas verwunschene Schlucht, können wir gar nicht geniessen und machen kein einziges Foto, so voll ist es. Wir flüchten ins Montezuma Nat. Wildlife Refuge und finden nicht nur Ruhe sondern auch Kanadagänse und eine Rohrdommel. Leider geht die Pumpe für unseren Wärmetauscher nicht mehr, was das Leben im Fahrzeug bei Temperaturen zwischen 5-15°C eher ungemütlich macht. Ich merke, dass wir langsam eine Pause brauchen und begebe mich online auf die Suche nach einer Farm weiter südlich, auf der wir etwas helfen können.
Pennsylvania: Auch hier begeben wir uns auf die Suche nach Natur und Tieren. Abseits von jeglichem Massentourismus, unternehmen wir wunderschöne Wanderungen und stören ein bisschen die Hirsche und Fasane bei der Futtersuche. Simon hat das Glück einen Fischermarder vor die Linse zu bekommen. Diese grossen Mader bekommt man eher selten zu Gesicht.
Maryland:
Der Staat ist sehr schmal an der Stelle, an der wir queren, also schlafen wir nur kurz im Nat. Forest und fahren weiter nach West Virginia.
West Virgina:
Ja, das Lied kommt uns auch immer in den Sinn, wenn wir an diesen Staat denken. Irgendwie haben wir das Lied aber nicht mit dicht bewaldeten Hügeln in Verbindung gebracht. Wir besuchen halb verlassene Dörfer und kleine Wasserfälle und merken, dass 4×4 Strassen hier mit „nicht für Passagierfahrzeuge“ gekennzeichnet sind. So gibt’s wie so oft einen Schlafplatz im Wald. Ziel für den nächsten Tag, Vögel suchen und Duschen. Simon macht eine kleine Wanderung und für die Dusche werden wir bald eingeladen. Nicht nur das, drei super liebe Paare aus Maryland, die hier selbst nur Ferien machen, laden uns zum Abendessen und zum übernachten ein. Duschen dürfen wir natürlich auch. So einen schönen geselligen Abend hatten wir seit Neufundland nicht mehr. Wir bekommen viele Tipps für die weitere Reise Richtung Tennessee (hier haben wir eine Farm gefunden) und es ist sehr interessant mit Trump Gegnern zu reden. Obwohl wir nur ein paar Stunden miteinander verbringen, gewinnen wir unsere neuen Freunde richtig lieb und gehen mit gefülltem Magen, die Frühstücks Pancakes waren sehr lecker, und beglückter Seele. Soziale Kontakte auf gleicher Wellenlänge fehlen uns doch nach einer gewissen Zeit.
Virgina+ North Carolina:
Im Shenandoah N.P. haben wir leider Pech mit dem Wetter, es ist kalt und nebelig. Ohne den Nebel würden wir hier von den Blue Ridge Mountains, einem Hügelzug am östlichen Rand der Appalachen auf weite Ebenen und auf die Appalachen schauen können. Mit dem Nebel sehen wir nur die nächsten Bäume, deren bunte Farben in dem Grau nicht so richtig rauskommen wollen.
Auch auf dem Blue Ridge Parkway ist das Wetter bescheiden, so verlassen wir immer mal wieder die Panoramastrasse um unter den Nebel zu tauchen.
Immer wieder lernen wir Hubert besser kennen. Theoretisch wissen wir ja schon, dass man nach dem befahren einer feuchten Wiese prüfen sollte, ob die Reifen noch auf Asphalt haften. In der Praxis haben wir aber nicht dran gedacht und so haben wir Glück, dass kein Auto von der Seite kommt, als wir das Stoppschild mit quitschenden Reifen überschlittern. Ziemlich erschreckt halten wir an und atmen erst mal tief durch. Glück gehabt, dass nichts passiert ist. Das sieht auch der Polizist, der das ganze von der Tankstelle aus beobachtet hat so. Dank unserer Einsicht sieht er sogar von einer Strafe ab und gibt uns stattdessen Tipps für Übernachtungsplätze und seine Karte, falls wir in Schwierigkeiten kommen.
Nach 3 Tagen Nebel und bevor der Parkway in den Smoky Mountains endet, haben wir doch noch Glück mit dem Wetter und geniessen die Aussichten über sanfte Hügel mit buntem Herbstlaub.
Tennessee:
Wir durchqueren den Smoky Mountains N.P. um nach Tennessee zu kommen. Schon am Eingang sehen wir Wapiti Hirsche in der Distanz und viele Truthähne. Da der Park aber selbst an einem Dienstag Mittag völlig überfüllt ist, fahren wir mit nur wenigen Stopps durch bis zu der kleinen Farm, auf der Marian uns schon erwartet.
Marian hat uns angeboten auf ihrer Minifarm die Tiere zu hüten, während sie mit ihrem Verlobten Familie und Freunde besuchen geht. Nach ein paar Einführungstagen haben wir die Verantwortung für 3 Katzen, 1 Pferd, 1 Pony und einen sehr speziellen Esel. Wir können entspannen, mal wieder einen richtigen Backofen nutzen und eine neue Wasserpumpe für den Wärmetauscher kaufen und einbauen. An den Tieren haben wir grosse Freude und viel Spass mit ihnen zusammen. Auch der eigenwillige Esel fasst schnell vertrauen, lässt sich knuddeln und blüht beim spielen auf. Direkt neben dem Smoky Mountains N.P. gelegen, haben wir das Glück halbtags Ausflüge dorthin machen zu können und einige Schwarzbären zu sehen. Oft zieht es uns aber nicht hinein. Stundenlang im Stau zu stehen lohnt sich für die Schwarzbären aber öfter als 2x muss man das nicht machen und die Vögel gibt es auch im Garten.
Nach 3 Wochen verabschieden wir uns kurz von der Farm, um weiter süd-westlich nach Kanadakranichen Ausschau zu halten. Im Hiwassee Wildlife Refuge werden wir fündig. Hier haben wir wieder einen Moment der uns zeigt, dass diese Reise genau das ist, was uns glücklich macht. Wir wissen nicht mehr wo wir hinschauen sollen, überall fliegen Kraniche, Pelikane, Geier, Adler, Kormorane, Enten und kleine Vögel. Und das beste daran, wir sind ganz alleine in diesem magischen Moment, in dem wir aus dem Staunen nicht mehr rauskommen.
Unser Ausflug ist kurz, nach zwei Nächten im Hubert ziehen wir wieder bei Marian ein. Der Winter soll kommen. Ungewöhnlich für Mitte November aber die Wettervorhersage behält recht und bei minus 8 Grad und einigen Zentimetern Schnee, sind wir froh in einem normalen Haus zu sein. Der Schnee ist aber genau so schnell verschwunden wie er gekommen ist und so beenden wir noch ein kleines Bauprojekt auf der Pferdekoppel und machen uns auf den Weg Richtung Küste.
Weitere Fotos findest du hier.